Alexander der Große

Für "dümmlich und aufgeblasen" hielt Demosthenes den jungen Prinzen am Hofe zu Pella. Dem Urteil des großen Redners und politischen Agitators aus dem weltstädtischen Athen schloss sich die öffentliche Meinung in Griechenland bereitwillig an. Und auch der renommierte Name des Aristoteles, der den Knaben Alexander, Sohn Philipps II., erzog, konnte in diesem Zusammenhang wenig beeindrucken.
Der Irrtum des Demosthenes kam Athen und den mit ihm verbündeten Städten teuer zu stehen. Siegessicher stellte sich der Bund der Hellenen 338 v. Chr. dem zur Vorherrschaft über ganz Griechenland strebenden Philipp bei Chaironeia zur Schlacht. Der gerade 18jährige Alexander war es, der ihnen als Befehlshaber des makedonischen Angriffsflügels mit geschickten taktischen Manövern eine entscheidende Niederlage beibrachte.
Mit einem Schlag veränderte sich die politisch-militärische Szenerie im östlichen Mittelmeer. Die neue Großmacht hieß Makedonien. Die Zeit der "Polis", der freien griechischen Stadt, näherte sich ihrem Ende. Bundes- und später zentral-staatliche Ideen gewannen Raum.
Zunächst aber überstürzten sich die aktuellen Ereignisse. Bereits ein Jahr nach seinem Sieg hatte Philipp die griechischen Städte mit Ausnahme Spartas im "Korinthischen Bund" vereinigt, der ihn als "Hegemon" und Bundesfeldherr anerkannte. Die Zielrichtung des Bundes war Persien, nicht mehr so mächtig wie früher, aber immer noch bedrohlich, immer zur Anstiftung innergriechischer Verschwörungen und Intrigen bereit. "Rache für Xerxes" hieß die Losung. Dieser persische König hatte Griechenland mehrmals angegriffen, ohne sonderlichen Erfolg zwar, und die Angelegenheit lag bereits 150 Jahre zurück, aber sie hatte einen nationalen Nerv getroffen. Die Kriegsvorbereitungen liefen an.

Und in dieser Zeit beginnt das weltumstürzende Drama, das Alexander III. heißt, den man erst viel später den Großen nannte. Philipp hat sich von seiner Frau Olympias, einer, wie es heißt, exaltierten religiösen Schwärmerin, getrennt. Die Thronfolge des Sohnes Alexander steht auf dem Spiel. Da wird Philipp im Jahre 336 ermordet. Im nächsten Akt werden alle Rivalen Alexanders umgebracht. Die Nachricht von den Blutbädern verbreitet sich mit Windeseile. Die Grenzvölker rebellieren. Alexander handelt blitzschnell. Dabei kann er sich auf seine makedonischen Truppen verlassen. Offenbar sind sie fasziniert von dem im Krieg schneidigen, persönlich mutigen Draufgänger, der über die charismatische Autorität des Herrschers verfügt.
Bevor an Widerstand auch nur zu denken ist, erscheint Alexander vor Korinth, wo sich die erschrockenen Bürger eilen, ihm zu huldigen. Dann stürmt er in Eilmärschen zum Balkan, überschreitet die Donau, unterwirft die Thraker und wenig später in Albanien die Illyrer. In der Abstimmung der richtigen Zeitpunkte für das gleichzeitige Eintreffen getrennter Einheiten, in der Schlachtordnung und ihrer plötzlichen Änderung erweist er sich bereits hier als souveräner Stratege und Taktiker.
Unvermutet wendet er sich wieder nach Süden und erobert Theben, Zentrum des antimakedonischen Widerstandes. Die Abschreckungsmaßnahme wirkt.  Der Aufruhr der griechischen Städte bricht zusammen. Dies alles geschieht binnen Jahresfrist nach der Ermordung des Vaters, und ein weiteres Jahr später steht ein Heer bereit für den Feldzug nach Kleinasien, ins Perserreich. Mit 35000 Mann überschreitet der 2ljährige Alexander 334 den Hellespont.
Er hat seine Heimat nicht wieder gesehen. Aber in den ihm noch verbleibenden elf Lebensjahren hat er die damals bekannte Welt grundlegend verwandelt. Diese Welt, die man von Meeren umspült glaubte, umfasste Europa, Teile Asiens bis Indien und Teile Afrikas. Bald wurde es deutlich: diese ganze Welt, den Osten zuerst, will Alexander entdecken, erobern und vereinigen.
Im fernen Babylon, der großen Metropole des Perserreiches, sieht man dem Eindringling gelassen entgegen. Mit diesem makedonischen Gernegroß würden schon die Statthalter im kleinasiatischen Vorfeld, die Satrapen, allein fertig werden. Wieder kommt Alexander eine Fehleinschätzung zugute, und eine Weltmacht geht daran zugrunde.
Schon bei Granikos, in Küstennähe, räumt der kommende „Herr der Welt“ die Verbände der Satrapen aus dem Weg. Im Jahr darauf, 333, steht er dem eilig gesammelten persischen Hauptheer unter König Dareios III. gegenüber. Issos heißt der Ort am Golf von Iskenderun. In einer Schlacht der taktischen Finessen auf beiden Seiten verliert Dareios die Nerven und ergreift die Flucht.
Sein nächstes Ziel heißt Ägypten. Er wird als Befreier von persischer Unterdrückung und neuer Pharao bejubelt. 331 gibt er Befehl zum Bau einer neuen Hauptstadt, Alexandria (heute Kairo), die bedeutendste seiner zahlreichen Städtegründungen. Er ließ Griechen ansiedeln um seine Herrschaft zu festigen. Eine wissenschaftliche Expedition wird ausgeschickt. Sie soll die Ursache der Nilüberschwemmungen feststellen, und sie findet sie - richtig - in den Sommerregen des äthiopischen Hochlandes. Diese Nachricht geht sofort an Aristoteles. Immer wieder berichtet Alexander auch in den folgenden Jahren dem Lehrer, von dem er einmal sagt, er habe ihn gelehrt, was das Leben lebenswert mache.
Von Ägypten aus dringt Alexander 800 Kilometer weit in die Libysche Wüste vor, lässt sich in der Oase Siwa vom Orakel des Gottes Amon weissagen und bricht nun, nach günstigem Bescheid, wieder auf gegen den Hauptgegner. Noch im selben Jahr 331 schlägt er östlich von Mossul, bei Gaugamela, die wiederaufgerüsteten, an Zahl überlegenen Truppen des Dareios ein zweites Mal.
Die Massen Babylons jubeln dem neuen Heros zu, der sich unterdes die unermesslichen Schätze der persischen Könige aneignet und die erste große Epoche einer weltweiten Geldwirtschaft und Hochkonjunktur in Gang bringt.
Nach der Niederbrennung von Persepolis, nach der Niedermetzelung von vermeintlichen Verschwörern im eigenen Heer rüstet Alexander seine um Angehörige besiegter und befreiter Völkerstämme verstärkte Streitmacht zum nächsten Feldzug.
Nach blutigen Partisanenkämpfen mit zähen Gebirgsvölkern Ostirans und Afghanistans, in denen er selbst schwer verwundet wird, erreichen seine über Samarkand hinaus vordringenden Truppen Gebiete, die kein Perserkönig je gesehen, die kein griechischer Geograph je geahnt hatte. Das Hindukusch-Gebirge mit seinen 7000 Meter hohen Gipfeln wird überwunden. Dann steht Alexander in Vorderindien und schlägt 326 in seiner letzten Schlacht die Armee des Königs Poros mit ihren Kriegselefanten.
Erst im Angesicht des Himalaja gibt er dem wachsenden Widerstand seiner makedonischen Veteranen nach, die seit dem Aufbruch aus der Heimat 18000 Kilometer zurückgelegt haben. Aber nun ist es wieder der forschende Entdecker, der ihn treibt. Er will die östliche Grenze der Welt, das große Meer, er will bestätigt sehen, was Aristoteles gelehrt hat. 325 erreicht er das Indusdelta, den Ozean. Jetzt muss sich auch der Seeweg zum Persischen Golf beweisen lassen, und ein Teil des Heeres wird eingeschifft.
Alexander nimmt für sich den küstennahen Landweg. Und hier erreicht das Drama seine Katastrophe. In der Endlosigkeit der Gedrosischen Wüste wird die Natur sein härtester, erbarmungsloser Gegner. Noch einmal bleibt er siegreich. Aber der Preis ist zu hoch. 90000 Mann gehen an den Entbehrungen zugrunde. Ein ausgezehrter Haufen erreicht 324 Susa, schließlich Babylon, das die Hauptstadt des neuen Reiches werden soll.
Der Herrscher zeigt sich ungebrochen. Innere Gliederung und Stabilisierung seines Vielvölkergebildes nimmt er sofort in die Hand. In diesem Reich soll es keine Rassentrennung geben, er forciert sogar eine Politik der Rassenmischung.
Alexander fördert Heiraten, und versprach seinen Soldaten ein Brautgeld. Während ihm in Babylon Gesandtschaften aus Italien, Spanien, selbst aus Karthago und Äthiopien huldigen, sind seine Gedanken schon auf das andere, das westliche Ende der Welt gerichtet: auf die Säulen des Herakles, Gibraltar, und den Ozean dahinter. Doch am 13. Juni 323 bricht der Tod das Drama ab; Alexander stirbt, 33 Jahre alt, in Babylon an einer fiebrigen Erkrankung, Malaria vielleicht oder Lungenentzündung.
Einen titanischen Menschen hat man ihn genannt, einen "Zermalmer." Kein Gefühl war ihm fremd, keine Regung, kein noch so phantastischer Gedanke. Von allem hatte er etwas und von allem zuviel. Alles an ihm war maßlos und übersteigert. Grausame Wildheit und sentimentale Depressionen jagten einander.
Für Griechenland begann nach seinem Tod eine 300 Jahre währende Epoche, die später als die "hellenistische" bezeichnet wurde. Es war Griechenlands große, von Alexander vorgeprägte Zeit weltumfassender, mit morgenländischen Elementen durchsetzter Bildung, aus der eine abendländische Kultur hervorging. Die politische Einheit des Alexanderreiches zerfiel rasch, eine Beute der Freunde und Heerführer des toten Mannes, der Diadochen, und von ihnen aufgezehrt. Der Traum des Titanen von der Weltregierung ist bis heute ein Traum geblieben.
In nur 13 Jahren errichtete Alexander der Große (356-323 v. Chr.) ein riesiges Reich, das sich bis Indien erstreckte. Er verbreitete Griechische Kultur in ganz Asien. Nach seinem Tot nach 33 Jahren zerfiel das reich.
 
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