Ein Nobody war er, dieser Columbus, ein verbohrter Herr Niemand, der
König Johann II. von Portugal sechs Jahre lang, von 1478 bis 1484,
auf die Nerven fiel mit seiner fixen Idee, den westlichen Seeweg nach Indien,
über den Atlantischen Ozean, ausfindig zu machen, und der dafür
auch noch beträchtliche Forderungen stellte: Finanzierung dieser abenteuerlichen
Expedition aus der königlichen Kasse, den Titel eines Admirals für
sich und seine Nachkommen und die Stellung eines Vizekönigs über
alle von ihm bei dieser Fahrt etwa neu entdeckten Länder, dazu zehn
Prozent von allen zu erwartenden Gewinnen.
Das war zuviel, auch für Portugal, das seine Mittel ohnehin bereits
seit zwei Generationen in die schrittweise Erkundung der östlichen
Route, entlang den Küsten Afrikas, investierte. Erlauchte Gelehrte
und erfahrene Seefahrer, der Graf Vasco da Gama zum Beispiel, arbeiteten
hier zusammen an einem soliden Projekt.
Portugal, das war im 15. Jahrhundert eine bedeutende Seemacht, ein
am Mittelmeer und Atlantik gelegener natürlicher Ausgangspunkt für
weltweite Entdeckungs und Eroberungsreisen. Wichtige navigatorische Hilfsmittel
waren schon seit langem bekannt: der Magnetkompaß seit 1250, der
"Jakobsstab", Vorläufer des heutigen Sextanten, seit 1300.
Aber erst neuerdings war die Kugelgestalt der Erde zur wissenschaftlich
weitgehend anerkannten Gewißheit geworden. Der Nürnberger Martin
Behaim, in portugiesischen Diensten stehend, war dabei, seinen "Erdapfel",
den ersten Globus, zu entwickeln.
Die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel! An dieser Entdeckung entzündete
sich die Phantasie, die Lust zur forschenden Entdeckung des Erdballs. Andere
Beweggründe kamen hinzu. Das Zauberwort jener Zeit hieß "Indien",
und mit Indien war alles Land östlich des islamisch-arabischen Gebietes
gemeint. Indien bedeutete Gold, Perlen, Seide, Gewürze, Elfenbein
- kurz, unermeßlichen Reichtum. Aber den alten klein- und vorderasiatischen
Handelsweg nach Indien hatten nach der Besetzung des christlichen Konstantinopel
(1453) die heidnischen Türken und Sarazenen abgeriegelt. Nun diktierten
sie, Widersacher auch im Glauben, die Preise. Um Afrika segelnd, mußte
es möglich sein, den Feind im Rücken zu fassen und eine neue
Verbindung nach Indien herzustellen.
Was nun dieser Kapitän Columbus vorschlug, hatte das nicht sogar
etwas von einem antiportugiesischen Ablenkungsmanöver? Wer war er
überhaupt?
Aus Genua stammte Columbus, ein gelernter Wollweber wie sein Vater.
Irgendwann 1451 war er geboren. Erst 14jährig, hatte es ihn schon
nicht mehr an seinem Arbeitsplatz gehalten. Als Schiffsjunge
ging er zur See, naheliegend in Genua, einem der bedeutendsten Hafen- und
Handelsplätze des Mittelmeers. Auf portugiesischen Schiffen war er
bis Island und Afrikanisch-Guinea gelangt. Mit dem verbissenen Ehrgeiz
des Autodidakten hatte er seemännisches und manches andere Wissen
seiner Zeit gepaukt und war schließlich zum Rang eines Kapitäns
aufgerückt. Es ist möglich, daß er bei seinen Fahrten in
den Norden auch die alten Wikingerlegenden vernommen hat, die von einem
fremden Land weit im Westen berichteten, das ferne Vorfahren entdeckt hatten
und bei dem es sich nur um die Ostküste Asiens, also um Indien handeln
konnte.
Was er ganz genau kannte, war eine Weltkarte des Italieners Paolo Toscanelli
aus dem Jahre 1474 und dessen dringende Empfehlungen, eine Westfahrt zu
unternehmen. Diese Empfehlungen waren vielen bekannt, aber es war allein
Golumbus, der sie sich zum festen Vorsatz machte, um dessen Verwirklichung
er mehr als zwölf Jahre lang hartnäckig und unbeirrbar kämpfte.
Nach dem Fehlschlag am portugiesischen Hof fand er in Spanien geneigtere
Ohren. Hier war erst 1469 durch die Vermählung der politisch aktiven
Isabella von Kastilien mit Ferdinand von Aragon ein neues Reich entstanden,
zunächst allerdings noch ohne überseeische Interessen. Man hatte
sich sogar vertraglich gebunden, die Ostpassage dem iberischen Nachbarn
allein zu überlassen. Der Ehrgeiz war auf festländische Ziele
gerichtet, auf die Beseitigung der letzten Reste maurischer Herrschaft
im Süden des Landes, in Granada. Dieses Ziel war fast erreicht, als
Columbus 1486 eine erste Audienz gewährt wurde. Er verstand es, in
einer die Gefühls- und Interessenlage der Zeit treffenden Art zu argumentieren
und für seine Idee zu werben.
Aber zunächst wurde Columbus vertröstet, immer wieder, Jahr
um Jahr. Erst 1492 und nachdem er sich angeschickt hatte, auf ein womöglich
nur vorgetäuschtes Angebot des Königs von Frankreich einzugehen,
erhielt er Vollmacht und Vertrag "zu entdecken und zu erobern gewisse Inseln
und Festlande im ozeanischen Meer".
Im selben Jahr 1492, als Columbus am 3. August vom heute versandeten
Hafen der Stadt Palos im Golf von Cadiz aus in See stach, war mit dem Fall
von Granada die 750 jährige maurisch-islamische Herrschaft über
die Iberische Halbinsel endgültig beendet. Als er im Jahr darauf am
15. März zurückkehrte, da hatte er für Spanien das Tor zur
seebeherrschenden Weltmacht der nächsten 150 Jahre aufgestoßen
und für die Weltgeschichte ein neues Kapitel begonnen. Aus dem Meer
der Geschichtslosigkeit war ein neuer Kontinent, Amerika, aufgetaucht.
Seine hochgeschraubten Forderungen hatte Columbus beim spanischen Herrscherpaar
zwar durchsetzen können, aber es war eine winzige Flotte, mit der
man den künftigen Admiral und Vizekönig auf die Reise schickte.
Sein 250-Tonnen-Flaggschiff "Santa Maria", kein besonders schneller Segler,
war ganze 23 Meter lang; noch kleiner waren die Begleitschiffe "Pinta"
und "Nifla". 100 Mann zählte die Besatzung dieses Nussschalen Geschwaders.
Was dann die Fahrt so gefährlich machte, waren nicht in erster
Linie Naturgewalten, sondern Angst und immer wieder aufflackernde Empörung
der Besatzung, der Columbus nur mühsam mit Überredungskunst Herr
wurde und mit falschen Angaben über die zurückgelegten Entfernungen,
die in Wahrheit viel größer waren. Zwei Monate nach der Abreise,
am 12. Oktober 1492, geschah dann das nicht mehr für möglich
Gehaltene: Land, "Indien", kam in Sicht. Es war eine Insel der Bahamas,
von Columbus San Salvador genannt, und ihre rotbraunen Einwohner, "Indianer"
nannte er sie, nahmen die Ankömmlinge unbefangen und arglos auf.
Die gleich einsetzende Goldsuche blieb erfolglos. Die Flotte segelte
weiter bis Cuba und Haiti, wo endlich das ersehnte Metall zum Vorschein
kam; nicht viel zwar, aber es reichte, um die Rückreise zu rechtfertigen.
Weitere Beweisstücke wurden mitgenommen: Papageien, Kartoffeln, Gewürzproben
und einige rasch zusammen-gefangene Einwohner. Nach stürmischer Fahrt
erreichte Columbus am 15. März 1493 wieder spanischen Boden. Der Empfang
für den nun 42jährigen war triumphal. Ein wahrhafter Vizekönig,
saß er in Barcelona neben dem Herrscherpaar und durfte die Huldigungen
der höchsten Stände entgegennehmen. Der "fahrende Glücksritter"
hatte das Ziel seines brennenden Ehrgeizes erreicht, aber den Höhepunkt
seines Lebens nun auch schon überschritten.
Es begann der Abstieg. Die in klingender Münze zählbaren
Erfolge seiner zweiten Reise (,493 bis 1496) waren gering. Was bedeuteten
Jamaika, Puerto Rico und die Kleinen Antillen, wenn sie weder Gold noch
andere begehrte Kostbarkeiten hergaben? Und dafür hatte man ihm 17
Schiffe mit 1 500 Mann finanziert. Statt der Edelsteine brachten sie die
Syphilis nach Europa und den Tabak.
Trotzdem wurde ihm eine dritte Reise zugestanden (1498 bis 1500). Sie
endete katastrophal. Zwar machte er weitere Entdeckungen: das
südamerikanische Festland bei Trinidad und an der Orinokomündung.
Aber den Desperados in seinem Gefolge war er nicht gewachsen. Das heimtückisch-grausame
Abschlachten der sich empörenden Indianer begann, blutiger Auftakt
der bald folgenden völligen Vernichtung blühender Kulturen der
Maya, Inka und Azteken durch skrupellose Eroberer. Columbus ersuchte um
einen strengen Statthalter und Oberrichter, und den schickte man ihm aus
Spanien. Francesco de Bobadilla hieß er und hatte es bald auf Columbus
selbst abgesehen. Als Kettenhäftling wurde der entmachtete Vizekönig
dorthin gebracht, wo er sieben Jahre zuvor seinen Triumph ausgekostet hatte.
Noch einmal konnte er Isabella auf seine Seite ziehen. Die vierte Reise
(1502 bis 1504) führte ihn nach Mittelamerika. Aber er war bereits
ein erledigter, von den Statthaltern gerade noch geduldeter Mann.
Außerdem hatte inzwischen (1498) Vasco da Gama Indien,
das richtige Indien, auf der Afrikaroute erreicht und reiche Ernte in die
portugiesischen Schteuern gebracht. Ein gebrochener, schwerkranker Columbus
kehrte nach Cadiz zurück. Zwei Jahre später starb er ruhmlos
und verachtet. In den Ländern Europas aber setzte sich schon bald
eine immer größer werdende Menschenlawine in Bewegung, die den
alten Kontinent zur "Neuen Welt" machte.