Als Edison eines Tages den Pflanzenzüchter Burbank in Kalifornien
besuchte, bat ihn dieser, sich ins Gästebuch einzutragen. Es hatte
vier Spalten: für den Namen, die Adresse und den Beruf, und über
der vierten stand: "Interessiert sich für:". Kurz und bündig
schrieb Edison:
"Alles".
Er hat nicht übertrieben. Über 1500 Patente erhielt er zeitlebens
in aller Welt, und sie erstreckten sich von der Eisenerzgewinnung bis zum
Sprechapparat und der elektrischen Glühbirne. Angefangen aber hatte
der am 11. Februar 1847 in Milan (Ohio) geborene Thomas recht bescheiden.
Sein Vater war als Holz- und Getreidehändler zu einigem Wohlstand
gekommen. Aber als die Eisenbahn an dem Städtchen Milan vorbeigebaut
wurde, verlagerte sich der Verkehr vom Ohio-Eriesee-Kanal auf die Schienen,
und Samuel Edisons Geschäft verödete. Er siedelte nach Port Huron
in Michigan über und versuchte, seinen Handel wiederaufzubauen.
Thomas, der als letztes von sieben Kindern zur Welt gekommen war, konnte
die reguläre Schule nur drei Monate lang besuchen. Zum Glück
brachte ihm seine Mutter, eine frühere kanadische Lehrerin, zu Hause
das Notwendigste bei. Das Lesen machte ihm den meisten Spaß. Mit
neun Jahren vertiefte er sich schon in naturwissenschaftliche Bücher
- und begann im Keller des Eltemhauses mit chemischen Experimenten.
Mit zwölf Jahren (1859) muss er mithelfen, Geld zu verdienen.
Er fährt in einem Güterwagen der Grand-Trunk-Eisenbahn zwischen
Port Huron und Detroit hin und her und verkauft den Reisenden Obst, Erfrischungen
und Zeitungen. So verdient er in einem Jahr 6oo Dollar als Unterstützung
für die Familie und für Chemikalien und Bücher. Bald hat
er sich im Güterwagen ein Laboratorium eingerichtet.
Eines Tages sieht er in Detroit eine gebrauchte Handdruckpresse mit
Setzerkasten, billig zu haben. Der Fünfzehnjährige entschließt
sich, in seinem Güterwagen eine eigene Zeitung herauszugeben. Die
Telegraphisten der Bahn versorgen ihn mit Neuigkeiten. Bald hat das Blättchen
300 Leser.
Nebenher setzt Edison seine
chemischen Experimente fort. Das ging so lange gut, bis ihm im August 1861
eine Flasche mit Phosphor umfiel. Sie setzte den Güterwagen in Brand.
Der Zugführer warf Druckerei und Chemikalien aus dem Wagen. Für
Edison setzte es eine kräftige Tracht Prügel.
Nach diesem Fehlschlag folgte bald der erste Lichtblick. Tom hatte
den kleinen Sohn eines Eisenbahnbeamten vor einem rangierenden Güterwagen
von den Schienen gezogen, und das vergalt ihm der Vater, indem er ihn in
die Geheimnisse des Telegraphierens einweihte. Er sorgte auch dafür,
dass Edison von der Grand Trunk-Eisenbahn als Telegraphist in Stratford
angestellt wurde. Und da machte er seine erste Erfindung.
Er mußte nämlich zur Kontrolle seiner Anwesenheit jede halbe
Stunde an die Nachbarstationen das Morsezeichen "6" durchgeben. Bald hatte
er einen Apparat gebastelt, der, ausgelöst von einer Uhr, das pünktlich
für ihn besorgte. Leider nicht lange, denn als er bei einer unvermuteten
Kontrolle im tiefsten Schlaf angetroffen wurde, mußte er gehen.
1868 fand er eine Stellung in Boston bei der "Western Union Telegraph
Company". Im folgenden Jahr erhält der Zweiundzwanzigjährige
sein erstes Patent auf einen Stimmenzähler für das Parlament,
bei dem die Abgeordneten nur auf einen "Ja"- oder "Nein" -Knopf zu drücken
brauchten, worauf das Resultat elektrisch angezeigt wurde. Aber das Verfahren
gefiel den Parlamentariern gar nicht - es war zu genau.
Im selben Jahr noch fährt er, ziemlich entmutigt und abgebrannt,
nach New York. Dort hatte er insofern Glück, als der Goldkursanzeiger
der Börse, der laufend. den Stand der Börsenkurse und des Goldpreises
telegraphisch an die angeschlossenen Makler und Geschäftsleute meldete,
plötzlich ausfiel. Edison reparierte ihn in zwei Stunden und wurde
daraufhin angestellt. Natürlich beschäftigte ihn von da an die
Verbesserung dieses Apparats, und er erfand einen neuartigen
"Universal-Typendrucktelegraphen". Die Firma "Gold and Stock Telegraph"
wollte ihm sein Patent abkaufen und legte ihm dafür 40000 Dollar auf
den Tisch.
Da er überdies von der "Western Union" einen Auftrag für
1200 seiner Börsenticker erhielt, richtete er sich in Newark bei New
York eine Fabrik ein und engagierte einen Stab geschickter Mitarbeiter.
Von 1871 bis 1873 tüftelt er in seinem Labor einen automatischen Hochgeschwindigkeitstelegraphen
aus, der in der Minute 1000 Wörter sendet. 1874 erfindet er das Quadruplex-System.,
mit dem über einen einzigen Draht gleichzeitig vier Telegramme gesendet
werden können. Insgesamt besitzt er jetzt schon über 200 Patente.
Allmählich wird die Fabrik in Newark zu klein.
1876 baut er sich deshalb in Menlo Park, südwestlich von New York,
auf einem Hügel ein großzügiges Laboratorium, das er mit
den präzisesten Geräten ausrüstet; daneben errichtet er
eine große Werkstatt, eine Kraftstation mit zwei Dampfmaschinen,
eine Glasbläserei und andere Gebäude. Mit einer Schar von Assistenten
und einer stattlichen Arbeiterkolonne zieht er dort ein. Er ist jetzt 29
Jahre alt, glücklich verheiratet, hat drei Kinder und steht am Beginn
eines Lebensabschnitts, der ihm den Beinamen "Der Zauberer von Menlo Park"
eintragen sollte.
Als erstes machte er sich an die Verbesserung des Bellschen Telefons,
das zwar funktionierte, aber noch keine großen Entfernungen überbrückte,
und außerdem mußte man ziemlich laut in die Sprechmuschel schreien,
um am andern Ende verstanden zu werden. Also erfindet er das empfindliche
Kohlekörnermikrophon und eine Art Verstärkerspule, wodurch die
Reichweite um Hunderte von Kilometern gesteigert wird.
1854 hatte der deutsche Uhrmacher Heinrich (Henry) Goebel eine primitive
elektrische Glühlampe erfunden. Das Prinzip bestand darin, dass
in einer luftleeren Flasche verkohlte Pflanzenfasern durch Strom zum Glühen
gebracht wurden. Goebel begnügte sich damit, die kurzlebige Lampe
zur Beleuchtung seines New Yorkers Ladens zu benutzen.
Edison griff das Prinzip auf, und ihm gelang es, eine brauchbare elektrische
Glühlampe zu schaffen; am 21. Oktober 1879 leuchtete das erste Exemplar
auf und brannte 40 Stunden. Mit einer großartigen Illumination von
Menlo Park durch 700 Glühbirnen machte er vor 3000 Gästen seine
neue Erfindung bekannt. Anschließend arbeitete er das komplette Versorgungssystem
von der Stromquelle bis zu den Beleuchtungskörpern aus, und am 4.
September 1882 konnte in New York das erste Elektrizitätswerk in Betrieb
genommen werden, das nach zwei Monaten bereits 5000 Lampen versorgte. Schon
1877 hatte er sich mit der Konstruktion einer "Sprechmaschine" befasst.
Heraus kam ein liegender, mit einer Handkurbel drehbarer Metallzylinder,
der sich durch ein Schneckengewinde bei jeder Umdrehung um ein kleines
Stück seitlich verschob. Der Zylinder wurde mit einer Stanniolfohlie
umwickelt, über die eine Nadel strich, die unter einer Membran befestigt
war. Drehte man den Apparat beim Sprechen, dann geriet die Mebran im Rhythmus
der Schallwellen ins Schwingen, und die Nadel drückte ihre Bewegungen
in die Folie ein. Beim ersten Versuch sang Edison ein kleines Kinderlied
gegen die Membran. Und als er nun den Zylinder in die Ausgangsstellung
zurückbrachte, die Nadel am Beginn der Spur einsetzte und die Walze
drehte, da kam's zur maßlosen Verblüffung seiner Assistenten
klar und deutlich: "Mary had a little lamb . . . " Aber zunächst geschah
nichts weiter, er hatte noch anderes zu tun. Erst zehn Jahre später,
1888, kommt er auf seinen Sprechapparat zurück. Und als er nun eine
Wachswalze als Tonträger benutzt und den Apparat so verbessert, dass
er auch Musik - wenn auch noch krächzend - wiedergibt, beginnt der
unaufhaltsame Erfolg des Phonographen.
Was das Ohr vernimmt, kann er nun festhalten. Sollte es nicht auch
möglich sein, lebende Bilder für das Auge zu reproduzieren? Er
löste auch dieses Problem auf seine Weise, indem er den "Kinetographen"
erfand, eine Kamera für Serienaufnahmen, und das "Kinetoskop", einen
Vorführapparat in Gestalt eines Guckkastens, in dem allerdings jeweils
nur eine Person die laufenden Bilder betrachten konnte. Die Erfindung der
Projektion von Filmen auf eine Leinwand mußte er den Brüderpaaren
Lumiere und Skladanowski überlassen.
Auch Menlo Park war inzwischen längst zu klein geworden; schon
1881 war er mit Sack und Pack nach New York umgezogen. 1887 aber bezog
er ein riesiges Gelände in West Orange mit seinen Labors und Fabriken,
in denen er mehrere tausend Menschen beschäftigte.
Niemals hat ein Mensch so vieles erfunden wie Edison. Sein Genie war
ebenso einzigartig wie seine unermüdliche Schaffenskraft und sein
Erfolg. Als er am 18. Oktober 1931 starb, arbeiteten in riesigen Industrieunternehmen
Zehntausende von Menschen an Produkten, die aus seinen Erfindungen hervorgegangen
sind.