Dreizehn Jahre alt war er, als er sich in einem kleinen Buch- und Papierladen
als Laufbursche und Zeitungsausträger verdingte. Er mußte mit
seinem bescheidenen Verdienst zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen,
die in bitterer Armut lebte. Sie gehörte der streng religiösen
Gemeinde der Sandemanianer an. Sein Vater arbeitete in einer Schmiede.
Michael, am 22. September 1791 als drittes von vier Kindern in Newington
Butts, einem kleinen Dorf bei London, geboren, hatte zwar die Dorfschule
besucht, konnte dort aber nur lückenhafte Kenntnisse in Lesen, Schreiben
und Rechnen erwerben. Dafür arbeitete er nun um so eifriger und unverdrossener
bei seinem Buchhändler, der ihn ein Jahr später, im Oktober 1805,
eine Lehrzeit als Buchbinder und Buchhändler beginnen ließ.
In dieser Umgebung entwickelte sich bei Faraday bald ein wahrer Lesehunger
und ein noch größerer Wissensdurst. Besonders interessierten
ihn naturwissenschaftliche Werke. So eignete er sich auf diesem Gebiet
ein beachtliches Wissen an, das er noch zu erweitern trachtete, indem er
1812 vier populärwissenschaftliche Vorträge des Professors Sir
Humphry Davy in der "Royal Institution" besuchte. Während der Vorträge
von Sir Humphry hatte sich Faraday Notizen gemacht. Davon fertigte er nun
eine Niederschrift, band die Blätter sorgfältig in Leder und
schickte den kleinen Band an Davy mit der Bitte, ihm eine Anstellung bei
der "Royal Institution" zu besorgen. Viele Wochen vergingen, ohne dass
etwas geschah; Davy war auf Reisen. Als er zurückkam, sprach er mit
dem Verwalter der Institution, der meinte: "Lass ihn die Gläser
waschen; taugt er, so wird er das gerne tun; lehnt er ab, so taugt er nicht."
Michael Faraday wusch Gläser mit der Hingabe, mit der er sein Leben
lang alles tat, und am 1. März 1813 wurde er als Laboratonumsassistent
der Royal Society für 25 Schilling im Monat angestellt.
Es blieb nicht lang beim Gläserwaschen und bei der Pflege der
Apparate. Bald half er Davy bei seinen Experimenten und begann mit eigenen
Versuchen. So wollte er Schwefel aus Kohle absondern, aber dabei wurde
die ganze Umgebung derart verpestet, dass er den Versuch aufgeben
mußte. Dann aber begann die Reihe seiner epochemachenden Erfolge.
Als er 1825 Laboratoriumsdirektor wurde, hatte er bereits das
Benzol entdeckt, den Ausgangsstoff zahlloser Anilinfarben, heute einer
der wichtigsten Treibstoffe. 1823 gelang ihm die Verflüssigung des
Chlorgases. Er machte grundlegende Versuche zur Verflüssigung von
Kohlensäure, Ammoniak und anderen Gasen unter Kälte und Druck.
Er formulierte das elektrolytische Grundgesetz, entdeckte das Butylen und
verbesserte Stähle durch Legierung. Auch die Verbesserung optischer
Gläser ist ihm zu verdanken.
Diese Entdeckungen wären genug, um Faraday einen ehrenvollen Platz
unter den großen Naturforschern zu sichern. Aber sie werden - zu
Unrecht - überschattet von seiner spektakulärsten Leistung: der
Entdeckung der elektromagnetischen Induktion.
Die Experimente von Oersted (1777 bis 1851) und Ampere (1775 bis 1836)
hatten gezeigt, dass Elektrizität Magnetismus erzeugt: die Magnetnadel
schlägt im Bereich elektrischer Ströme aus. Faraday ahnte, dass
auch die Umkehrung dieses Experiments möglich sein müsste,
dass also durch Magnetismus Elektrizität erzeugt werden könne.
Aber der Nachweis wollte ihm trotz zahlloser gewissenhafter Experimente
nicht gelingen, zumal die ihm zur Verfügung stehenden Messgeräte
noch nicht sehr empfindlich reagierten. Zehn Jahre hatte er ohne wesentlichen
Erfolg an dem Problem gearbeitet, bis ihm am 29. August 1831 das entscheidende
Experiment gelang: Er hatte auf einem Weicheisenring - 15 Zentimeter im
Durchmesser und 2 Zentimeter dick -zwei voneinander isolierte Drahtwicklungen
angebracht; die eine verband er mit einer Volta-Batterie, die andere mit
seinem Galvanometer. Als er den Stromkreis schloss, schlug die Magnetnadel
aus und blieb ruhig stehen, solange der Strom floss. Schaltete er
den Strom ab, schlug die Nadel in der andern Richtung aus. Der Strom hatte
also den Eisenring magnetisiert, und dessen Magnetfeld hatte in dem stromlosen
Leiter Elektrizität erzeugt, das heißt: induziert. Aber warum
nur im Augenblick des An- und Abschaltens?
Eine
veränderte Versuchsanordnung brachte ihn schließlich weiter:
um ein Eisenrohr wickelte er spulenartig einen langen Draht und verband
dessen Enden mit seinem Stromanzeiger. Als er nun einen Stabmagneten in
das Rohr schob, schlug die Nadel aus, allerdings nur beim Hin- und Herschieben
des Magneten, nicht, wenn er still im Rohr steckte. Damit wurde ihm klar:
Strom entsteht in der Spule nur, wenn sie magnetische Kraftlinien schneidet;
nicht das ruhende Magnetfeld erzeugt Strom, sondern das bewegte. Den letzten
Beweis lieferte er, als er eine Kupferscheibe zwischen den Polen eines
Kupfermagneten rotieren ließ: das zwischen zwei über die Scheibe
streichende Kollektorbürsten geschaltete Galvanometer zeigte Stromfluss
an. Das Urmodell des Generators war gefunden. Und ein gerader Weg führte
vom ersten Ausschlag des Faradayschen Stromanzeigers zu dem 1866 von Siemens
erfundenen Dynamo und zum Elektromotor.
Hochgeehrt von seiner Mitwelt starb der geniale Denker und Forscher
Michael Faraday am 25. August 1867 in seinem ihm von Königin Viktoria
zur Verfügung gestellten Haus in Hampton. Ohne sein Wirken wäre
die moderne Energiewirtschaft nicht vorstellbar.