Die Erfindung des Buchdrucks mit gegossenen beweglichen Lettern wird
gepriesen als ein entscheidender Beitrag zur Befreiung des Menschen
aus der Unwissenheit und geistigen Unmündigkeit. Über den Erfinder
selbst weiß man nur Bruchstückhaftes, obwohl sein Name in zeitgenössischen
Dokumenten häufig erscheint: in Steuerregistern, in Stammrollen und
immer wieder in Prozeßakten. Friele Gensfleisch hieß der Vater.
Er war Patrizier und besaß mit seiner Frau in Mainz den Hof "zum
Gutenberg", nach dem die Eltern sich und ihre drei Kinder benannten, von
denen Johannes das jüngste war. Er wurde um 1397 geboren, und er starb
mittellos, etwa 70jährig, Anfang 1468.
Im Europa jener Zeit des ausgehenden Mittelalters, zwischen Gotik und
Renaissance, hat sich Aufbruch- und Umbruch- stimmung ausgebreitet. Alte
Werte und Ordnungen zerfallen und mit ihnen die Reichsgewalt des Kaisers.
Die Landesherren greifen zur Macht. In den Städten drängen die
Zünfte der Handwerker gegen die Vorherrschaft der Patrizier. Der Ruf
nach sozialer und religiöser Erneuerung wird laut. Eine Welle von
Universitätsgründungen liegt erst wenige Jahre zurück. An
vielen Orten wächst neues Wissen heran, historisches Wissen wird belebt.
Der Mensch sucht eine neue, eine "humanistische" Selbstbestimmung.
Es ist auch eine Zeit der Entdeckungen und Erfindungen. Darunter sind
neue Handwerkstechniken, zum Beispiel die Herstellung billigeren Papiers
mittels Wasserradantrieb um 1390. Dazu gehören aber auch die ersten
Feuerwaffen.
Mit dem Wissen wächst auch der Drang, daran teilzunehmen, doch
das Wissen kann nur schwer verbreitet werden. Die Vervielfältigung
der Bücher wird vornehmlich von den Mönchen besorgt, in handschriftlicher
Einzelanfertigung. Bücher kosten ein Vermögen, die Werke des
römischen Dichters Livius zum Beispiel ein ganzes Weingut.
Zwar gab es bereits lange vor Gutenberg Drucktechniken. Doch alle bekannten
Verfahren haben einen entscheidenden Nachteil: das Material ist nicht widerstandsfähig
genug für den Druck größerer Auflagen. Die technische Entwicklung
scheint in eine Sackgasse geraten zu sein. Man kennt das Ziel, aber es
fehlt die zündende Idee, der Zusammenschluß der Einzelteile
zu einem abgerundeten Verfahren.
Daran arbeitet Gutenberg, und sein Interesse kommt sicher nicht von
ungefähr. Mainz ist bekannt für seine vorzüglichen Siegel-
und Münzstempel. Der Vater Gutenbergs liefert die Metalle dazu. Von
Johannes weiß man, daß er sich, obwohl Patriziersohn, auf handwerkliche
Fertigkeiten verstand. Er war Goldschmied und hat Spiegel hergestellt.
Man kann ihn sich als eine brillante technische Begabung mit großen
künstlerischen Fähigkeiten vorstellen. Eigensinnig und streitbar
dürfte er auch gewesen sein. Als die Handwerkerzünfte den Stadtedlen
die Steuersätze zudiktieren wollen, verläßt er Mainz. Von
1434 bis 1444 ist er in Straßburg aktenkundig. Es gibt einen Beleidigungsprozeß,
einen Prozeß um ein angeblich gebrochenes Eheversprechen, er prozessiert
mit seiner Vaterstadt und mit seinen Geschäftspartnern.
Viel Geld hat er benötigt für seine Arbeiten, und er hat
immer wieder Geldgeber gefunden. 800 Gulden erhielt er, wieder in Mainz,
von dem Advokaten Johannes Fust. Das entsprach dem Wert mehrerer Bauerngüter.
Man versprach sich offenbar viel von seiner Erfindertätigkeit und
witterte womöglich das ganz große Geschäft, denn der "Markt"
war da, ein Bedürfnis brauchte nicht erst geweckt zu werden. Auch
mit Fust kam es zum Bruch, als Gutenberg weitere Geschäftseinlagen
anforderte. Er mußte Teile seiner Werkstatt verpfänden oder
verkaufen und damit wohl auch streng gehütete Geheimnisse preisgeben.
Doch in diesen Jahren war ihm der große Durchbruch bereits gelungen:
der Bleiguß einzelner beweglicher Lettern und vor allem die Entwicklung
einer für die Massenherstellung der Lettern geeigneten, leicht zu
handhabenden Gießform.
Der älteste von ihm selbst hergestellte Druck, das "Fragment zum
Weltgericht", ist um 1445 entstanden. Sein bedeutendstes Werk, die 42zeilige
Bibel mit einem Umfang von 1282 Seiten, für die er über drei
Millionen Typen benötigte, dürfte um 1455 fertiggestellt worden
sein. Noch 48 Exemplare sind heute bekannt. Gutenberg hat keine Früchte
seiner Erfindung ernten können. Er geriet bald für lange Zeit
in Vergessenheit und wurde später als Erfinder zunächst in Frage
gestellt. Die Ausbreitung der "Schwarzen Kunst" indes war nicht aufzuhalten.
Über die deutschen Buchdrucker schrieb bereits 1470 der französische
Gelehrte Fichet: "Sie strömen in die Welt, wie einst die Krieger dem
Bauch des Trojanischen Pferdes entstiegen."
Der Bauch diese neuen trojanischen Pferdes barg überdies hochexplosives
Material. Denn was fortan gedruckt und tausendfach in Umlauf gebracht wurde,
waren nicht nur autoritätsfromme, den Obrigkeiten wohlgefällige
Schriften, auch aufsässige Gedanken fanden ihren schwer kontrollierbaren
Weg. Reformation, Aufklärung, moderne Wissenschaft und publizistische
Massenkommunikation konnten ihren Lauf nehmen. Mit Gutenbergs Erfindung
geriet in Bewegung, was wir als "Informationslawine" bezeichnen. Auf der
ganzen Welt werden derzeit allein im wissenschaftlich-technischen Bereich
täglich 6ooo bis 7000 Veröffentlichungen fertiggestellt.