Herman Hollerith



Wie er auf die Idee mit der Lochkarte kam, ist nicht überliefert. Möglicherweise kannte der am 29. Februar 1860 in Buffab, New York, geborene Herman Hollerith das Verfahren, elektrische Klaviere mit Hilfe gelochter Papierbahnen zu steuern. Vielleicht hatte er auch von der Steuerung von Webstühlen durch Lochkarten gehört, die der Franzose Jacquard 1805 eingeführt hatte. Auf alle Fälle hatte vor ihm noch niemand daran gedacht, gelochte Karten für organisatorische Aufgaben einzusetzen.
Hollerith, der nur alle vier Jahre seinen schaltjährigen Geburtstag feiern konnte, war der Sohn von Johann Georg Hoherith, der Professor für alte Sprachen am Gymnasium in Speyer gewesen war, bevor er 1850 nach Amerika auswanderte. Nach harten Anfangsjahren brachte er es zu Wohlstand und erwarb größere Ländereien in Wisconsin und Minnesota. Herman hatte einen Bruder und zwei Schwestern, er war der Jüngste.
Herman war ein auf gewecktes, aber schwieriges Kind. Weil ihm eine Rechtschreibarbeit nicht passte, sprang er eines Tages aus dem Fenster seines Klassenzimmers im zweiten Stock und lief heim. Man beschloss daraufhin, ihm Privatunterricht durch einen Geistlichen erteilen zu lassen. Dabei zeigte er besonderes Interesse für die naturwissenschaftlichen Fächer. An der Bergbauschule der Columbia-Universität studierte er Ingenieurwissenschaft und erhielt 1879 den Grad eines Bachelors. Er wurde Assistent eines Professors, der als Hauptsachverständiger für die zehnte Volkszählung eingesetzt wird, die 1880 in den USA stattfindet. Die Auswertung der Fragebogen dieser Volkszählung dauerte trotz zahlloser Hilfskräfte nahezu zehn Jahre. Die Resultate waren gerade ermittelt, als 1890 die elfte Volkszählung stattfand. Diesmal war die Auswertung in knapp vier Wochen beendet. Wie kam das?
Zähneknirschend hatte Hollerith das umständliche Verfahren mit angesehen, nach dem die zehnte Volkszählung ausgezählt werden mußte. Zur Abhilfe erfand er das Lochkartensystem, den Vorläufer der Computer. Am 23. September 1884 meldete er es zum Patent an.
Für den Zugschaffner ist es gleichgültig, an welcher Stelle er die Fahrkarte locht, bei der Lochkarte ist es entscheidend. Hollerith teilt also seine Karten, denen er das Format der damaligen Dollernoten gibt, in waagerechte Linien und senkrechte Spalten ein, wodurch auf der Karte viele kleine Quadrate entstehen, von denen jedes durch die Angabe seiner Zeile und seiner Spalte definierbar ist. Diesen Quadraten kann nun ihre spezielle Bedeutung - in Ziffern oder Buchstaben -beigelegt werden, durch deren Kombination Daten des Personenstandes, der Produktion, der Buchhaltung, von Messergebnissen usw. ausgedrückt werden können. Kurzum: Alles, was der Mensch ist und tut, kann durch die codierte Lochung auf der Karte gespeichert werden. Die Karte ist auf die binäre Maschinensprache eingestellt, das heißt, zu dem im betreffenden Feld fixierten Bezug kann sie nur mit "Ja" oder "Nein" antworten, je nachdem die Stelle gelocht ist oder nicht.
Dazu muss sie natürlich befragt werden. Dafür konstruierte Hollerith den Abfühlkasten, der für jedes einzelne Feld der Karte einen gefederten Fühlstift enthält. Wird dieses "Nagelbrett" auf die automatisch zugeführte Karte gelegt, dann taucht an der Stelle, wo ein Loch ist, der Stift durch dieses in ein Quecksilbernäpfchen und schließt damit einen Stromkreis, der den Schaltmagneten eines Rechenwerks betätigt. Zugleich wird das Sortierwerk gesteuert, das im Sortierkasten ein dem Karteninhalt zugeordnetes Fach öffnet, in das die ausgewertete Karte gleitet. So können aus der Masse der Karten bestimmte Merkmale abgefragt und die
betreffenden Karten aussortiert werden. Zuvor aber müssen die Löcher an den richtigen Stellen in die Karte kommen. Das geschieht durch eine elektrische Lochstanze, mittels der die vorliegenden Angaben von Hand getastet und codiert auf die Karte übertragen werden.
Nachdem Hollerith sein Patent hatte, schlug er der US-Regierung vor, sein Verfahren bei der elften Volkszählung 1890 einzusetzen. Zuvor sollte er aber in einem Wettbewerb, bei dem vier Bezirke der Stadt St. Louis auszuzählen waren, die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit seines Systems beweisen. Von seinen beiden Konkurrenten, die nach herkömmlichen Verfahren auszählten, brauchte der eine 44 Stunden und 41 Minuten, der andere gar 55 Stunden und 22 Minuten, während Hollerith das Ergebnis bereits nach 5 Stunden und 28 Minuten vorlegte. Und so kam es, dass die Auszählung der elften Volkszählung, bei der die Fragebogen von rund 65 Millionen Einwohnern über Lochkarten erfasst und von 43 Hollerithmaschinen ausgewertet wurden, in vier Wochen beendet war.
Kein Wunder, dass das noch vielfach verbesserte und ausgeweitete HollerithVerfahren nach dieser Bewährungsprobe rasch seinen Einzug in die Büros von Behörden und Geschäften und in die Werkhallen der Industrieunternehmen (man konnte nach diesem Verfahren auch Maschinen automatisch steuern) hielt. Das Zeitalter der Datenverarbeitung hatte begonnen. Bald entwickelten sich Holleriths Maschinen zu raffinierten Computern mit Speichersystemen und Programmiertechniken von ungeahnter Kapazität. Hollerith wurde 1890 Ehrendoktor der Columbia-Universität. Seine in aller Welt gegründeten Unternehmen vereinigte er ab 1911 mit der seither weltweit marktbeherrschenden IBM. Am 17. November 1929 erlag er in Washington einem Herzschlag.

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