In jenen denkwürdigen Jahren zwischen 186o und 1870, als Louis
Pasteur seine
Aufsehen erregenden Entdeckungen von Fäulnis und Gärung machte,
studierte an der Universität Göttingen ein kurzsichtiger junger
Mensch. Er hieß Robert Koch. Als er 1866 die Doktorwürde erlangt
hatte, nahm er eine Stellung an einer Hamburger Heilanstalt an. Wenig später,
als er geheiratet hatte, übte er seine Praxis in preußischen
Dörfern aus, bis er zuletzt in Wollstein/Pommern landete. Dort kaufte
er sich von seinen Ersparnissen ein Mikroskop in der Absicht, den Erreger
des Milzbrandes finden zu wollen.
Fortan saß Koch allabendlich vor seinem Mikroskop. Scheinbar
willkürlich sprang draußen die Seuche hin und her. Abends noch
gesund, lagen am nächsten Morgen die Tiere kalt und steif da mit schwarzem
geronnenem Blut und prall geschwollener Milz. Legte er Tropfen von dem
Blut unter sein Mikroskop, so sah er zwischen den kleinen grünlichen
Blutkörperchen sonderbare Dinger, die sich wie Stäbchen ausnahmen.
Im Blut gesunder Tiere waren sie nicht zu finden. Lebten die Stäbchen
überhaupt?
Und wie vermehrten sie sich?
Es war ein genialer Einfall, ein Milzfetzchen eines toten Tieres in
einen Hängetropfen mit der Augenflüssigkeit eines Ochsen unterzubringen.
Und siehe da, jetzt wuchsen und vermehrten sie sich, sie vermehrten sich
ins Unermessliche.
Das geschah im Jahre 1876. Koch war damals 34 Jahre alt. Er machte
sich aus seiner Vergessenheit von Wollstein auf und fuhr zur Universität
Breslau. Vor einem Gremium ausgewählter Professoren zeigte
er, was er im Experiment gefunden hatte. Und zur maßlosen Verblüffung
seiner Zuhörer erklärte er auch gleich, wie man die Milzbrandbazillen
vernichten könnte. In jenen Tagen wurde Koch zum Begründer der
Bakteriologie.
Er lernte die Mikroben
zu färben und führte sie in Fotos aller Welt vor Augen.
1880 erhielt er die Aufforderung, nach Berlin zu kommen und in das
dortige Reichsgesundheitsamt als außerordentlicher Beirat einzutreten.
Man gab ihm ein geräumiges Laboratorium mit unzähligen Apparaten,
eine Geldbeihilfe und zwei Assistenten.
Er ging, so ausgerüstet, an seine nächste Aufgabe, nämlich
reine Kulturen zu züchten, denn er war der Überzeugung, dass
jede Krankheit nur von einer bestimmten Art von Bakterien verursacht wird.
Ein Zufall kam ihm zu Hilfe. Eines Tages entdeckte er im Labor die liegen
gebliebene
Hälfte einer gekochten Kartoffel. Ihre Schnittfläche war mit
allerhand Tröpfchen in verschiedenen Farben besetzt. Er brachte etwas
von der schleimigen Substanz eines großen Tropfens unter sein Mikroskop
und sah - eine Reinkultur von Mikroben. Er benutzte Rindsbrühe als
Nährboden und wiederum gekochte Kartoffeln, impfte sie mit Mikroben
der verschiedensten Art, und immer erhielt er reine Kulturen. Nach diesem
Erfolg nahm er den Kampf mit einer der furchtbarsten Krankheiten auf, der
Tuberkulose.
Von einem jungen Arbeiter, der der Seuche erlegen war, entnahm er etwas
Gewebe und spritzte es gesunden Tieren ein. Ausnahmslos vollzog sich ihr
Schicksal. Aber obwohl er den sterbenden Tieren immer aufs neue Tuberkelbazillen
entnahm, sie wollten sich nicht in den Brühen verschiedenartigster
Zusammensetzung vermehren lassen. Offenbar waren es derartig vollkommene
Schmarotzer, dass sie sich nur in Lebewesen entwickelten. So kam es,
dass Koch nach endlosen Proben und Versuchen seine revolutionierendste
Entdeckung machte: er wählte die Serumflüssigkeit frisch geschlachteter
Rinder als Nährboden und sah zuerst -nichts. Nachdem er schon alle
Hoffnung aufgegeben hatte, bemerkte er am 15. Tag, dass die
samtene Fläche mit zahllosen Pünktchen besetzt war. Es waren
Tuberkelbazillen. Der Rest ist schnell erzählt. Koch kam auf die Idee,
mit den hochgefährlichen Bakterien die Atemluft seiner Tiere in den
Käfigen zu vergiften. Sie erkrankten alle und starben eines schrecklichen
Todes.
Am 24. März 1882 fand in Berlin eine Sitzung der Physiologischen
Gesellschaft statt. Koch stellte die Ergebnisse seiner Forschung der Öffentlichkeit
vor. Noch am selben Abend verbreitete sich die Kunde von der Entdeckung
der Tuberkelbazillen in ganz Berlin, tags darauf drang die Sensation in
alle Welt.
Koch aber spürte schon wieder einem Bazillus nach, dem Erreger
der Cholera, der 1883 von Indien nach Europa kam. Er fuhr mit seinem Assistenten
Gaffky nach Alexandrien. Doch während er sich rastlos mühte,
verschwand die Cholera; niemand wusste, warum. Koch und Gaffky kehrten
nach Berlin zurück, in ihrem Gepäck eine große Zahl von
Präparaten, die alle eine kuriose Mikrobe in Form eines Kommas enthielten.
Koch war der Meinung, dass dieser Bazillus mit der Cholera zusammenhängen
mußte. Bald darauf reiste er nach Indien, wo es ihm gelang, den Kommabazillus
auf Rindsbrühe in Reinkultur zu züchten. Er empfing vom deutschen
Kaiser den Kronenorden mit Stern. Koch hatte unter Einsatz seines eigenen
Lebens die Cholera besiegt.