Nikolaus August Otto



Wer macht sich schon, wenn er mit 130 oder mehr Stundenkilometern über die Autobahn fährt, Gedanken darüber, was sich unter seiner Motorhaube abspielt? Für uns ist selbstverständlich geworden, was einst vielen Erfindern Kopfzerbrechen machte: eine Verbrennungskraftmaschine zu bauen. Schon Leonardo da Vinci hielt es für möglich, eine Maschine durch viele aufeinander folgende Explosionen geringer Mengen von Schießpulver zum Laufen zu bringen. Aber mehr als 300 Jahre mussten noch vergehen, bis die physikalischen Erkenntnisse und die technischen Möglichkeiten so weit fortgeschritten waren, dass der Gedanke zu verwirklichen war.
In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfindet der Münchner Uhrmacher Christian Reithmann einen Verbrennungsmotor, dem jedoch kein Erfolg beschieden war. Der Franzose Alphonse Beau de Rochas entwickelte sogar die Theorie eines Viertaktmotors, versuchte jedoch nie, eine solche Maschine zu bauen. Erst dem französischen Mechaniker Jean Lenoir gelingt es 1860, einen Gasmotor zu bauen, der funktionierte. Die Maschine war konstruktiv einer Dampfmaschine nachempfunden, machte viel Lärm und verbrauchte eine Unmenge Betriebsstoff. Aber sie erregte ungeheures Aufsehen, man prophezeite ihr eine große Zukunft, und die Zeitungen in aller Welt brachten ausführliche Artikel über Lenoirs Kraftmaschine.
Eine solche Zeitung fiel im Sommer des Jahres 1861 in Köln einem jungen Kaufmannsgehilfen in die Hände. Er las - und von Stund an ließ den 29jährigen der Gedanke, selbst einen solchen Motor zu bauen, nicht mehr los. Der junge Mann hieß Nikolaus August Otto, war am 14. Juni 1832 in dem kleinen Städtchen Holzhausen im Nassauischen zur Welt gekommen und wuchs in einfachen Verhältnissen - sein Vater war Landwirt und Posthalter - heran. Mit 10 Jahren verließ er die Schule und sollte Kaufmann werden. Nach dreijähriger Lehrzeit in Nastätten findet er eine Stellung als Handlungsgehilfe, zuerst in Frankfurt, dann in Köln. Und hier geschah es, dass er seinen folgenschweren Entschluss fasste, einen gasgetriebenen Verbrennungsmotor zu bauen.
Er las, was er zu diesem Thema nur finden konnte, und grübelte über technische Konstruktionen nach. Schließlich war er so weit, dass er ein kleines Modellmaschinchen bauen konnte, das leider nicht funktionieren wollte. Aber er ließ sich nicht entmutigen und überredete einen geschickten Mechaniker, nach seinen Plänen ein zweites, größeres Modell zu bauen. Es wurde der erste funktionierende Viertaktmotor: im ersten Takt saugte der niedergehende Kolben Gas und Luft in den Zylinder, im zweiten verdichtete er das Gemisch, im Totpunkt erfolgte die Zündung, die Explosion trieb den Kolben wieder nach unten - der eigentliche Arbeitstakt - und im vierten drückte der Kolben die verbrannten Gase wieder aus dem Zylinder.
Es ist der gleiche Vorgang, wie er sich heute in vielen Millionen von Verbrennungsmotoren abspielt - freilich damals noch in recht holpriger Gangart. Die Stöße waren zu stark und trotz aller Bemühungen nicht abzumildern, so dass Otto nun versuchte, sein Ziel auf anderem Weg zu erreichen: mit einer atmosphärischen Gasmaschine, bei der nach der Explosion unter dem Kolben ein luftverdünnter Raum entsteht, in den der Kolben durch den äußeren Luftdruck hineingepresst wird. Die Versuchsmaschine lief zufrieden stellend, aber zu einer wirtschaftlich verwendbaren Kraftmaschine war es noch ein weiter Weg.
Zu dieser Zeit begegnete er Eugen Langen, einem Ingenieur, der am Polytechnikum in Karlsruhe eine hervorragende Ausbildung in Physik und Technik genossen hatte. Der 1833 geborene Kölner begriff die Tragweite von Ottos Erfindung sofort und gründete mit ihm zusammen die "Gasmotorenfabrik N. A. Otto u. Comp.". Die Firma ersetzte Otto die Auslagen in Höhe von 3500 Talern, die er in seine Versuche investiert hatte; dafür brachte er seine Patente ein. Für seinen Lebensunterhalt durfte er monatlich 70 Taler aus der Firmenkasse entnehmen. Langen brachte alsbald mehrere beachtliche Verbesserungen an der Maschine an.
Aber der Verkauf wollte und wollte nicht richtig anlaufen, und die finanziellen Mittel wurden knapp. Da fassten die beiden im festen Glauben an ihren Motor einen kühnen Entschluss: Sie meldeten ihre Kraftmaschine für die große Weltausstellung 1867 in Paris an. Und da ratterte dann der kleine Apparat neben der Konkurrenz von französischen Gasmaschinen, die viel größer waren und viel Ähnlichkeit hatten mit den altvertrauten Dampfmaschinen. Das Preisgericht hätte kaum Notiz von der ungewöhnlichen Konstruktion genommen, wenn nicht der deutsche Preisrichter, Professor Reuleaux, darauf bestanden hätte, die konkurrierenden Maschinen auch auf ihre Wirtschaftlichkeit, also auf ihren Gasverbrauch, zu prüfen.
Und da gab es die große Überraschung:
Ottos Maschine brauchte kaum ein Drittel des Gases, das die französischen Konkurrenten schluckten.
Das war der Sieg: Der Ottomotor wurde mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet; Lenoir mußte sich mit der Silbernen zufrieden geben.
Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: schon bis Ende August 1867 waren in Deutz 22 Gasmotoren bestellt, und kaum 20 Jahre später rollten die ersten Automobile von Carl Benz und Gottfried Daimler mit Ottomotoren über Deutschlands Straßen.
 

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