Bei Blaise Pascal, geboren am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand, zeigte
sich schon im kindlichen Alter eine ungewöhnliche Begabung für
die Lösung schwieriger Probleme. Sein Vater, ein Finanz- und Steuerfachmann,
stellte eines Tages mit Erstaunen fest, dass sich der kleine Blaise,
ohne je mathematischen Unterricht gehabt zu haben, selbständig die
Grundbegriffe der euklidischen (Satz über das rechtwinklige Dreieck:
Das Quadrat über einer Kathete ist flächengleich dem Rechteck
aus der Hypotenuse und der Projektion der Kathete auf die Hypotenuse.)
Geometrie beigebracht hatte. Und kaum war er sechzehn Jahre alt, entwickelte
er in einer Abhandlung über die Kegelschnitte, in der er die Ellipse,
die Parabel und die Hyperbel als Projektionen ein und desselben Kreises
darstellt, den nach ihm benannten Satz vom Pascalschen Sechseck. Als er
1642 sah, wie sich sein Vater, der vom französischen Finanzminister
beauftragt war, die Steuerordnung in Rouen neu zu regeln, mit schwierigen
Rechnungen plagte, erfand und konstruierte er die erste mechanische Rechenmaschine,
nach deren Prinzip alle Rechenmaschinen gebaut wurden, bevor sich heute
die elektronische Steuerung durchsetzte. Der Wunsch, andern zu helfen,
blieb sein Leben lang ein Wesenszug Pascals.
Interessiert verfolgte er in Rouen die Quecksilberversuche des
Florentiners Torricelli, eines Schülers von Galilei. Dieser war einst
um Rat gefragt worden, als es den Brunnenbauern in Florenz auch mit den
stärksten Pumpen nicht gelang, das Wasser im Rohr höher als 32
Fuß (= 10 Meter) zu heben. Galilei konnte das Problem auch nicht
lösen und meinte schließlich, der Wasserstrang reiße eben
ab wie ein zu straff gespanntes Seil. Torricelli aber wollte der Sache
auf den Grund gehen.
Die Zeit war gekommen, da man die Rätsel der Natur nicht nur durch
Nachdenken theoretisch zu lösen versuchte, sondern durch praktische
Experimente. Also ließ sich Torricelli meterlange, an einem Ende
geschlossene Glasröhren blasen, die er mit Wasser füllte und
dann mit dem offenen Ende senkrecht in ein mit Wasser gefülltes Becken
stellte. Er mußte feststellen, dass das Wasser aus der Röhre
nur zu einem kleinen Teil in das Becken ab-floß, nämlich um
das Volumen, um das sich der Wasserstand in der Glasröhre senkte.
Was aber war jetzt in dem Hohlraum, der sich an der Spitze der Röhre
gebildet hatte?
Nichts? Diese einfache Antwort verbot die immer noch sakrosankte Lehre
des Aristoteles, nach der in der Natur der "horror vacui" herrschte: die
Natur duldet keinen leeren Raum, denn wenn ein Körper - ob fest, flüssig
oder gasförmig - seinen Ort verlässt, wird er sofort durch
einen anderen ersetzt.
Torricelli und sein Freund Viviani setzten ihre Versuche fort. Jetzt
aber verwendeten sie statt des Wassers Quecksilber. Dessen Pegel sank in
der geschlossenen Glasröhre wesentlich tiefer als der des Wassers,
blieb aber ebenfalls deutlich über dem Niveau des Quecksilbers im
Becken. Irgendein Gewicht mußte demnach auf das Quecksilber im Becken
drücken und so das Gleichgewicht mit der in der Röhre stehenden
Säule herstellen. Konnte das die Luft sein? Hatte die Luft ein Gewicht?
Torricelli glaubte es, und er glaubte auch, dass im Oberteil der Röhre
ein Vakuum entstanden sei - aber er konnte es nicht beweisen.
Dieses Problem beschäftigte auch Pascal längere Zeit. Nach
vielen, zum Teil kostspieligen und schwierigen Versuchen kam er auf einen
genialen Einfall: wenn die über der Erde lagernde Luftmasse tatsächlich
ein Gewicht hat und einen Druck ausübt, dann müsse dieser Druck
um so höher sein, je größer die Masse der Luft sei, die
über einem bestimmten Gebiet lagere, am höchsten also in einer
Ebene. Auf einem Berg dagegen, wo die Luftsäule um den Höhenunterschied
kleiner sei, müsse geringerer Druck herrschen.
Da Pascal im Flachland lebte, bat er seinen Schwager, der in Clermont
am Fuß des 1465 Meter hohen Puy-de-Dome wohnte,
dort den Versuch zu machen. Das Resultat: auf dem Berg war die Quecksilbersäule
um mehrere Zoll niedriger als in der Ebene. Damit war nicht nur der Beweis
geglückt, sondern es waren zugleich der Höhenmesser und - da
das Instrument auch Luftdruckschwankungen anzeigt - das Barometer erfunden.
Es war das Jahr 1648.
In der folgenden Zeit beschäftigte sich Pascal wieder mit der
Mathematik und entwickelte u. a. die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die heute
im Versicherungswesen und in der Nuklearforschung eine wichtige Rolle spielt.
In der Physik nahm er sich das Problem des Gleichgewichts der Flüssigkeiten
vor und schuf damit die Grundlagen der Hydrostatik, auf der z.B. die hydraulische
Presse beruht. Schließlich gelang es ihm noch, das Problem der Zykloide
zu lösen, jener Kurve, die von einem Punkt auf dem Radius eines rollenden
Kreises, also etwa eines Rades, beschrieben wird.
Dann aber nahm er Abschied von der Wissenschaft. Schon seit 1646 hatte
er engen Kontakt mit den Jansenisten, einer von der Kirche abgelehnten
Sekte. Und als er gar am 23. November 1654 eine göttliche Vision hatte,
zog er sich in das Kloster Port Royal zurück, um den Rest seines Lebens
mit theologischen Studien und religiösen Meditationen zu verbringen.
Dort verfasste er auch eine Reihe von Streitschriften, in denen er
die Lehre der Jansenisten gegen die römische Kurie und die Jesuiten
verteidigte. Mit Scharfsinn und Ironie vertrat er die jansenistische Auffassung
von der "Prädestination", von der göttlichen Vorherbestimmung
des Menschen und der Unbeeinflussbarkeit von Gottes Gnadenentschluss.
Blaise Pascal starb im Alter von 39 Jahren am 19. August 1662.
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