Während das Sporttauchen aus Freude an der Natur unter Wasser, zur sportlichen Ertüchtigung, aus Abenteuerlust, zur Unterwasserjagd und nur zu einem geringen Teil aus Erwerbsgründen betrieben wird, stehen hinter den Vorstößen in die Tiefe sehr reale wirtschaftliche oder auch militärische Interessen. Die Quellen für Rohstoffe und für die Nahrung nehmen auf dem Land mit der zunehmenden Bevölkerung der Welt ab. Von 60 im Meer vorhandenen Elementen werden gegenwärtig nur wenige genutzt; nur 17% des Rohöls und 6% der Naturgase wurden 1974 aus dem Meeresboden gewonnen. Dieser Anteil steigt jährlich in gleichem Maß wie die Meerestiefe der Bohrungen zunimmt. Das alles erklärt das wachsende Interesse vieler Nationen an der Nutzung der Meeresreserven, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Fläche der den Kontinenten Vorgelagerten Zone mit einer Wassertiefe bis zu 300 m - der Festland- oder Kontinentalsockel -größer ist als die Kontinente selbst.
Die Probleme durch die Atemgase
Die Entwicklung des Tieftauchens begann mit der Einführung künstlicher Atemgemische. Wie auf der Seite Die Sauerstoffvergiftung
der kritische Punkt für Sauerstoff ist 1,7ppm
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Die Herstellung von solchen sauerstoffarmen Tieftauchgemischen stellt
heute keine unlösbaren technischen Anforderungen mehr. Allerdings
müssen Messung und Einstellung des Sauerstoffgehalts sehr präzis
erfolgen; die zulässigen Abweichungen bei einem Sauerstoffgehalt von
z. B. 1% liegen bei wenigen Hundertstel Prozenten. Zusätzlich muss
die Gasanalytik bei Tieftauchatemgemischen eine Reihe von möglichen
Verunreinigungen mit höchster Auflösung erfassen können,
da viele von ihnen wie der Sauerstoff ihre biologische Wirkung entsprechend
dem Partialdruck entfalten. Ein Schadstoff z. B., der unter Normalbedingungen
eine Höchstkonzentration von 100 ppm einnehmen darf, muss bei
500 m Tauchtiefe bei weniger als 2 ppm gehalten (und gemessen) werden.
Die Problematik des Stickstoffs in Bezug auf den Tiefenrausch und die
daraus resultierende Begrenzung der erreichbaren Tauchtiefe mit Luft wurde
zunächst nicht richtig erkannt; entsprechend den damaligen Theorien
glaubte man an eine Kohlendioxidanreicherung aufgrund der steigenden Dichte
des Atemgases Luft bei zunehmender Tauchtiefe. Daher wurde das leichte
Edelgas Helium zu Beginn des Jahrhunderts zunächst wegen seines geringen
Molekulargewichts interessant und mehr zufällig auf seine Eignung
als Tieftauchgas untersucht; außerdem versprach man sich Vorteile
bezüglich des Dekompressionsverhaltens.
Erst mit allgemeiner Durchsetzung der Inertgastheorie der Narkosewirkung
wurde klar, dass Helium neben seiner geringen Dichte auch eine sehr
geringe Löslichkeit in den fettreichen Strukturen des Zentralnervensystems
besitzt und daher auch eine sehr geringe Narkosefähigkeit aufweisen
sollte. End und Nohl erreichten damit Ende der dreißiger Jahre Tauchtiefen
von fast 130 m und legten die Grundlage für die erfolgreiche Bergung
des U-Bootes Squalus. Durch die Tieftauchversuche von Keller und Bühlmann
zu Beginn der sechziger Jahre schließlich wurde gezeigt, dass
Helium als Stickstoffersatz eine enorme Ausweitung der erreichbaren Tauchtiefen
ermöglicht; in diesen Versuchen wurde eine Maximaltiefe von ca. 300
m erreicht, etwa eine Verdoppelung der bis dahin angenommenen Tiefengrenze.
Sättigungstauchen
Neben dem Sauerstoff und Stickstoff bestand noch eine dritte Einschränkung
für die Entwicklung des Tieftauchens, nämlich das Dekompressionsproblem.
Allein zum Erreichen einer Tiefe von 200 m wird soviel Zeit benötigt,
dass schon bei Ankunft auf Bodentiefe eine erhebliche Dekompressionsschuld
besteht; bei zusätzlichem Aufenthalt von nur wenigen Minuten in der
Tiefe ergeben sich schon Dekompressionszeiten im Bereich von Stunden. Damit
ist eine praktische Anwendung höchstens für Kurzzeiteinsätze
möglich, z. B. für kurze Inspektionen oder Anschäkeln eines
Seils zur Bergung o. ä. Die Entwicklung von Tieftauchtabellen wurde
international von einer Reihe von Forschungsinstituten eine Zeitlang intensiv
betrieben; als maximal sinnvolle Tiefe wird heute der Bereich um 150 m
gesehen, mit Bodenzeiten von höchstens 30 bis 60 min. Den Ausweg aus
diesem Dilemma bietet das Sättigungstauchen. Bei dieser Technik macht
man sich zunutze, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit unter erhöhtem
Druck der Organismus kein weiteres Gas mehr aufnimmt, weil, entsprechend
dem Henryschen Gesetz, der Gleichgewichtszustand, die Sättigung mit
dem Inertgas, erreicht ist. Auch die Dekompressionszeit kann dann nicht
mehr zunehmen, weil kein weiteres Gas mehr ausgeschieden werden muss.
Die dabei entstehenden Dekompressionszeiten sind allerdings außerordentlich
lang im Vergleich zum gewohnten oberflächenorientierten Kurzzeittauchen
im Druckluftbereich; für die Rückkehr von einem Sättigungstauchgang
mit Heliox (Helium-Sauerstoff-Gemisch) aus 200 m ist mehr als eine Woche
anzusetzen, die Aufstiegsgeschwindigkeit liegt bei etwa 25 bis 30 m pro
Tag. Bei Verwendung von Stickstoff-Sauerstoff-Gemischen werden die Aufstiegsgeschwindigkeiten
noch geringer, da das schwerere Stickstoffmolekül erheblich langsamer
aus dem Organismus heraus diffundiert und weil wesentlich größere
Mengen vor allem in fetthaltigen Strukturen gelöst sind.
Derartig lange Dekompressionszeiten können natürlich nicht
mehr im Wasser verbracht werden; während die ersten Sättigungsaufenthalte
im "Flachwasser" bereich noch in Unterwasserhäusern zum Teil in Luft-
bzw. Stickstoffsättigung durchgeführt wurden, halten sich heute
die Taucher in Druckkammern an der Oberfläche unter Heliumatmosphäre
auf. Der Transport zu ihrer Arbeitsstelle in der Tiefe geschieht durch
eine unter Druck stehende Taucherglocke (Bell), die an die Druckkammeranlage
an Bord des Versorgungsschiffes angekoppelt werden kann und die durch einen
Kran bewegt wird. Bei Erreichen der Arbeitstiefe tritt Druckausgleich ein,
und die Bodentür kann geöffnet werden. Der Taucher steigt dann
ins Wasser und ist mit einer Versorgungsleitung (Umbilical) mit der Bell
(und letztlich mit den Versorgungseinrichtungen an der Oberfläche)
verbunden. Während der gesamten Einsatzzeit von u. U. mehreren Wochen
steht der Taucher immer unter dem gleichen Druck, egal ob er sich in der
Oberflächenanlage, in der Bell oder unter Wasser aufhält; die
Dekompression wird an das Ende verschoben, so dass während der
Arbeit kein Zeitdruck entsteht.
Technische Anwendung des Sättigungstauchens
Diese Technik wird heute weltweit bis zu Wassertiefen von 200 m routinemäßig
eingesetzt (tiefere Einsätze im Freiwasser, bis ca. 500 m Tiefe,
haben noch Experimentalcharakter), aber auch bei Arbeitstiefen von 20 bis
30 m kann die Sättigungsmethode schon sinnvoll genutzt werden. Wenn
über längere Zeit rund um die Uhr getaucht werden muss,
werden wegen der Dekompressionsbeschränkungen so viele Taucher benötigt,
dass auch in diesem vergleichsweise flachen Bereich die Sättigungstechnik
wirtschaftlicher ist, weil mit einem Team von sechs bis zehn Tauchern wochenlang
ohne Unterbrechung im Schichtbetrieb gearbeitet werden kann. Moderne Sättigungsanlagen
sind heute mit mehreren Kammern und Bells ausgerüstet, so dass
auch mehrere Teams gleichzeitig betreut werden können; während
z. B. das erste Team gerade dekomprimiert wird, nimmt die Ablösung
die Arbeit unter Wasser auf, so dass auch bei einer Projektdauer von
Monaten kein Leerlauf entsteht.
Die sprunghafte Entwicklung der Sättigungstechnik während
der sechziger und siebziger Jahre ging einher mit der zunehmenden Ölförderung
aus immer größeren Meerestiefen. Wegen der ungeheuren Kosten
des Sättigungstauchens mit Helium-Sauerstoff-Gemischen konnte nur
ein Industriezweig mit vergleichbaren Renditen den Forschungsaufwand für
diese Methode erwirtschaften. Während der Pionierzeiten traten immer
wieder Unfälle auf, weil die Probleme dieses komplexen Verfahrens
noch in keiner Weise vollständig erkannt waren.
Sprachliche Verständigung
Ein nahe liegendes Problem ist die Kommunikation. Die Sprachverzerrung bei Atmung von Helium-Sauerstoff-Gemischen tritt schon an der Oberfläche in Erscheinung; durch die im Vergleich zu Luft ca. dreifach höhere Schallgeschwindigkeit in Helium tritt in den Sprachresonanzen eine Bevorzugung von höheren Schallfrequenzen auf (während die Schwingungsfrequenz der Stimmbänder selbst nicht verändert wird, wie fälschlich oft angenommen wird). Ein ähnliches Phänomen tritt auch bei Atmung von Luft unter Druck auf; bei unbehinderter Sprache in der Druckkammer oder auch im Taucherhelm ist leicht dieser "Donald-Duck-Effekt" zu beobachten, der allerdings unter Helium erheblich stärker ausfällt. Insgesamt wird die Sprache durch die Zunahme des Drucks und des Heliumanteils (der Sauerstoffanteil muss wegen des Toxizitätsproblems vermindert werden) so stark verzerrt, dass jenseits von 100 m Tauchtiefe eine Verständigung ohne Hilfsmittel nicht mehr möglich ist. Ein solches Hilfsmittel ist der "Unscrambler" (Entzerrer), der die hohen Frequenzen der Helium-Stimme durch ein digitales Verfahren wieder in verständliche Sprache "übersetzt". Man kann sich leicht vorstellen, dass die Sprachverständigung in entscheidendem Maß vom technischen Aufwand abhängt, und in der Tat sind in der Pionierzeit beim Einsatz unter Wasser oft lebensgefährliche Situationen allein durch mangelhafte Kommunikation entstanden.
Das Temperaturproblem
Ein weiteres Problem ist die Kälte. Bei Verwendung von Trockentauchanzügen
lässt sich zwar im Pressluftbereich durch die zwischen Anzug
und Körperoberfläche befindlichen Isolationsmaterialien sowie
die in ihnen enthaltene Luft ein wirksamer Kälteschutz erreichen,
aber bei Verwendung von Helium funktioniert diese Methode nicht mehr. Durch
die im Vergleich zu Luft erheblich höhere Wärmeleitfähigkeit
des Heliums wird die vom Körper produzierte Wärme so schnell
abgeführt, dass alsbald eine empfindliche Auskühlung einsetzt.
Nicht nur im Wasser, selbst innerhalb der Wohnkammern macht sich dieser
Effekt bemerkbar. Schon bei geringen Tiefen führt eine normale Raumtemperatur
von 20 C zu schneller Auskühlung der Taucher, so dass eine wesentlich
höhere Raumtemperatur vorgegeben werden muss. Mit steigender
Tiefe nähert sich die Temperatur dem Indifferenzwert von ca. 32 bis
33 C, der auch für den ungeschützten Langzeitaufenthalt im Wasser
maßgeblich ist. Auch in der komprimierten Heliumatmosphäre ist
dann die Komfortbreite für die Taucher nur noch sehr gering; Abweichungen
um nur wenige Zehntelgrade von dieser Indifferenztemperatur führen
zum Schwitzen oder Frieren.
Beim Tauchen in kaltem Wasser wurde das Temperaturproblem durch die
Einführung von Heißwasseranzügen umgangen. Dies sind im
Prinzip Nasstauchanzüge, die aber einen Warmwasseranschluss
aufweisen, über den ständig warmes Wasser über die Körperoberfläche
geleitet wird. Die Warmwasserversorgung befindet sich an der Oberfläche,
so dass im Umbilical des Tauchers neben Gasversorgung und Kommunikationsleitungen
auch ein Warmwasserschlauch enthalten sein muss. Über den
Warmwasseranschluss
an seinem Anzug kann der Taucher die Wassertemperatur auf seiner Hautoberfläche
individuell regeln, so dass im Prinzip das Komfortniveau der Badewanne
erreicht werden kann.
Trotz (oder auch gerade wegen) dieser Technik sind in den Pionierjahren
einige tödliche Unfälle aufgetreten, die direkt auf eine Unterkühlung
zurückgeführt werden konnten. Während die Hautoberfläche
mit Hilfe des Warmwasseranzugs angenehm warm gehalten wurde, atmete der
Taucher ein Heliox-Gemisch, das über Bell und Umbilical so lange in
Kontakt mit dem eiskalten Wasser der Umgebung gestanden hatte, dass
dessen Temperatur auf die des Wassers herabgesunken war. Das kalte Gas
wird nach dem Einatmen auf dem Weg zu den Lungenalveolen auf Körpertemperatur
aufgewärmt, so dass dem Körper die entsprechende Wärmemenge
entzogen wird. Dies ist auch bei kalter Luft nicht anders (wobei die Wärmekapazität
von Luft sogar um ca. 50% höher ist als die von Helium), allerdings
ist die Wärmekapazität von Gasen bezogen auf das Betriebsvolumen
direkt proportional zum Druck; damit wird der Wärmeentzug über
die Atmung durch kaltes Heliox in 190 m Tiefe 20mal so groß wie an
der Oberfläche. Hierdurch wird ein Punkt erreicht, an dem der Wärmeverlust
durch die Atmung höher ist als durch den Organismus nachgeliefert
werden kann; die Folge ist eine Auskühlung, die rasch lebensgefährliche
Ausmaße erreichen kann. Die Wärmeleitfähigkeit des Heliums
spielt übrigens für diesen Effekt keine Rolle (im Gegensatz zur
Wärmeisolation im Trockentauchanzug), da auch Luft in den Atemwegen
einen vollständigen Temperaturausgleich erfährt; wenn es möglich
wäre, in größeren Tiefen über längere Zeit Luft
anstelle von Heliox zu atmen, dann wäre die Auskühlung wegen
der höheren Wärmekapazität sogar stärker.
Das eigentliche Problem für diese Art der Auskühlung besteht
in der mangelnden Sensibilität des Tauchers. Während bei der
Auskühlung über die Hautoberfläche natürlich ein starkes
Kältegefühl entsteht, das der Taucher an die Oberfläche
weitermelden kann, und das vor Erreichen irgendwelcher Gefahrenmomente
zum Abbruch des Tauchgangs führen wird, besteht für die Auskühlung
durch kaltes Atemgas offenbar kein Warnmechanismus. Der Taucher erreicht
ein Unterkühlungsstadium mit Teilnahmslosigkeit und mangelnder Reaktionsfähigkeit,
ohne dass sich ein Kältegefühl eingestellt hat und er die
Möglichkeit zu Gegenmaßnahmen hatte. Das Fehlen von solchen
physiologischen Wärmechanismen wird verständlich, wenn man bedenkt,
dass unter normalen Lebensumständen diese Gefahr nicht existiert;
unter Normaldruck ist der Wärmeverlust über die Atmung so gering,
dass auch bei arktischen Temperaturen hieraus keine Gefährdung
entsteht.
HPNS - die Reaktion des Nervensystems auf hohe Drücke
Während das Sättigungstauchen mit Heliox bis 200 m außer
technischen Anforderungen heute keine großen Probleme mehr mit sich
bringt, bestehen für eine deutliche Ausweitung des praktisch nutzbaren
Tiefenbereichs immer noch erhebliche Schwierigkeiten auch physiologisch-medizinischer
Natur. Zwar wurden in experimentellen Tieftauchanlagen Drücke entsprechend
fast 700 m Wassertiefe erreicht, insgesamt ist aber die Belastung des Menschen
dabei so groß, dass vor einer Umsetzung in die Praxis noch eine
Reihe von Fragen geklärt werden muss. Eine entscheidende Barriere
stellt das sog. HPNS (High Pressure Nervous Syndrome) dar, eine Störung
des Nervensystems bei großen Tauchtiefen. Die ersten Symptome machen
sich bei schneller Kompression ab 150 bis 200 m Tiefe in Form des sog.
Helium tremors bemerkbar; dabei kommt es zu einem Zittern der Finger, das
der Taucher nicht unterdrücken kann, und das seine Fähigkeiten
zu anspruchsvollen
manuellen Verrichtungen stark einschränkt. Mit zunehmender Tiefe treten
weitere Symptome hinzu, die alle Bereiche des Zentralnervensystems erfassen
können, z. B. Schwindel und Übelkeit, Koordinationsstörungen,
Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und der geistigen Leistungsfähigkeit,
Schlafstörungen während der Ruheperioden verbunden mit Schläfrigkeit
am Tage («Micro-sleep») bis hin zu tödlichen Krämpfen
bei schneller Kompression auf große Tiefen (Tierexperiment!).
Es stellte sich schnell heraus, dass diese Erscheinungen durch
Halte- und Erholungszeiten im Kompressionsprofil sowie eine Herabsetzung
der Kompressionsgeschwindigkeit in gewissem Rahmen beherrschbar sind; daher
ist es beispielsweise nicht möglich, am ersten Tag eines Tieftauchgang?
eine größere Tiefe als 300 bis 400 m zu erreichen, wenn man
nicht eine deutliche Beeinträchtigung der Taucher riskieren will.
Zum Erreichen von 600 m ist schon etwa eine Woche anzusetzen. Daraus resultiert
ein exponentieller Verlauf des Kompressionsprofils. Die folgende Abb. zeigt
ein Beispiel aus der Tieftauchserie TITAN des Instituts für Flugmedizin
in Köln.
Als Ursache für das HPNS wird heute eine direkte Einwirkung des
Drucks auf das Nervensystem diskutiert, nachgewiesen im Säugetierexperiment
unter Vergleich von Flüssigkeitsatmung (Abyss) und Helioxatmung. In
beiden Versuchsreihen traten die Symptome des HPNS in ähnlicher Reihenfolge
und Ausprägung ein, so dass die oben genannte Bezeichnung «Heliumtremor»
irreführend ist. Durch den hohen Druck wird die Nervenmembran komprimiert
und eine Veränderung der Reizleitungsfunktionen verursacht, gewissermaßen
das Gegenteil zur Inertgasnarkose, wo ja durch die Aufnahme des Narkosegases
eine «Aufquellung» der Nervenmenbran auftritt. Diese gegenläufigen
Wirkungen von Druck und Narkose konnten schon früh im Tierexperiment
nachgewiesen werden; beispielsweise ist es möglich, Kaulquappen in
einer Wasser-Alkohol-Lösung durch Anwendung von hohen hydrostatischen
Drücken wieder aus ihrer Alkoholnarkose zu erwecken.
Die Anwendung dieser Erkenntnis wurde auch in Tieftauchexperimenten
mit Tauchern versucht, indem einfach ein gewisser Anteil von narkotisch
wirksamem Gas im Atemgemisch eingesetzt wurde. In der Tat gelang die Weltrekordtiefe
von 686 m unter Verwendung von 10% Stickstoff in der Kammeratmosphäre
(Trimix), was einem Stickstoffpartialdruck von fast 7 bar entsprechend
ca. 80 m Tauchtiefe mit Druckluft entspricht. Der Einsatz von Stickstoff
hat aber nicht nur Vorteile; durch seine im Verhältnis zu Helium siebenmal
größere Dichte entsteht auch eine entsprechende Beeinträchtigung
der Atmung, die bei Verwendung von Heliox ohne Stickstoffbeimischung im
Falle des o. g. Weltrekordtauchgangs erst bei einer Tiefe von 1100 m erreicht
worden wäre.
Wasserstoff als Tieftauchgas
Das einzige Gas, das sowohl narkotisch ist als auch eine geringst mögliche
Dichte besitzt, ist der Wasserstoff. Zwar ist seine Handhabung nicht unkompliziert,
da bei Mischung mit Sauerstoff ein explosives Gemisch entsteht (Knallgas).
Bei den geringen Sauerstoffanteilen in Tieftauchatemgemischen besteht allerdings
in der Druckkammer keine Gefahr; das Gemisch befindet sich außerhalb
der Explosionsgrenzen. Bei Leckagen entstehen dann allerdings außerhalb
der Druckkammer Probleme, wenn das wasserstoffhaltige Kammergas auf die
relativ sauerstoffhaltige Luft der Umgebung trifft.
Die von Zetterström erarbeiteten Ergebnisse wurden von Comex in
der HYDRA-Tauchserie wieder aufgegriffen, wo die Verwendungsfähigkeit
des Wasserstoffs beim Tieftauchen mit und ohne Heliumbeimischung untersucht
wird. Dabei ist es gelungen, mit reinen Wasserstoff-Sauerstoff-Gemischen
1989 Tauchtiefen bis 300 m zu erreichen (allerdings bei starker Narkosewirkung!),
während 1988 mit Wasserstoff-Helium-Sauerstoff (Hydreliox) eine Maximaltiefe
von 534 m gelang, gleichzeitig auch ein Tiefenweltrekord für das Tauchen
im freien Wasser. Während alle bisher tieferen Tauchgänge «nur»
im Labor stattfanden, wurde im Tauchgang HYDRA VIII ein Arbeitsprogramm
im Mittelmeer von dem eigens für Wasserstoffbetrieb umgerüsteten
Taucherversorgungsschiff DSV Orelia (DSV = Dive Support Vessel) aus durchgeführt.
Bei den Wasserstofftauchgängen von Comex wurde zunächst mit Heliox
komprimiert, bis der Sauerstoffpartialdruck deutlich unterhalb der Explosionsgrenzen
gefallen war, und anschließend entweder mit Wasserstoff weiter komprimiert
(Hydreliox) oder im Fall der Hydrox-Experimente (Wasserstoff-Sauerstoff)
ein Gaswechsel durchgeführt. Bei der Dekompression wurde der Wasserstoff
dann im tieferen Bereich durch eine von Comex entwickelte katalytische
Methode aus dem Gasgemisch entfernt («chemische» Dekompression),
so dass dann im flacheren Bereich der Sauerstoff wieder gefahrlos
über die Explosionsgrenzen angehoben werden konnte.
Allerdings haben sowohl die Tieftauchversuche mit Trimix als auch mit
Hydreliox gezeigt, dass die Aufhebung des HPNS durch narkotisch wirksame
Gase ihre Grenzen hat. Der beschriebene einfache Antagonismus zwischen
Druck und Narkose trägt nicht dem komplexen Charakter des HPNS Rechnung;
insbesondere die Beeinträchtigungen höherer Funktionen des Zentralnervensystems
können nur sehr begrenzt aufgefangen werden, so dass der Gewinn
für das praktische Tauchen am ehesten in der Verkürzung der Kompressionszeiten
zu sehen ist (bei Tauchzeiten von mehreren Wochen ist allerdings der Gewinn
von wenigen Tagen unerheblich). Vorteile des Wasserstoffs liegen vor allem
in seinen im Vergleich zu Helium geringen Kosten sowie im Atemkomfort durch
die sehr geringe Gasdichte (allerdings ist der technische Aufwand wegen
der Explosionsgefahr beträchtlich).
Gasdichte und Atmung
Im Zusammenhang mit der Dichte von Tieftauchatemgemischen wurde schon
die Beeinträchtigung der Atemfunktionen erwähnt. Dabei leuchtet
zunächst die Behinderung der Atemmechanik unmittelbar ein; durch das
gewissermaßen «zähflüssig» werdende Atemgas
entsteht bei schnellem Ein- und Ausatmen ein erheblicher Widerstand mit
ansteigender Atemarbeit, so dass nicht mehr das gleiche Atemminutenvolumen
wie unter Normalbedingungen bewältigt werden kann. Dieser Effekt ist
auch im Druckluftbereich wirksam; er ist uns schon bei der Kohlendioxidanreicherung
bei schwerer Arbeitsbelastung in größerer Tiefe begegnet, insbesondere
bei zusätzlichem Atemwiderstand durch den Atemregler. In dieser Hinsicht
ist also der Einsatz von Wasserstoff mit geringst möglicher Gasdichte
trotz des technischen Aufwands eine folgerichtige Überlegung.
Als weiteres Problem im Bereich der Atemphysiologie wurde für
hohe Drücke eine Verminderung der alveolaren Diffusion der für
die Lebensprozesse wichtigen Gase Sauerstoff und Kohlendioxid diskutiert.
In der Tat ist der Diffusionskoeffizient in Gasgemischen umgekehrt proportional
zum Druck; dies führte zu der Vermutung, dass der Austausch von
Sauerstoff und Kohlendioxid in der Lunge gefährdet sein könnte.
Der Transport des Sauerstoffs aus dem eingeatmeten Frischgas zur Alveolarmembran
- und umgekehrt des Kohlendioxids aus den Lungenkapillaren zum auszuatmenden
Anteil des Alveolarvolumens - wäre demnach durch die im Vergleich
zu Normalbedingungen fast hundertfach größere Moleküldichte
des Inertgases so weit behindert, dass ein Sauerstoffmangel oder eine
Kohlendioxidübersättigung eintreten könnte.
Die im Institut für Flugmedizin in Köln durchgeführten
Tieftauchexperimente konnten allerdings zeigen, dass zumindest bis
zu einer Tiefe von 615 m in Heliox ein solcher Effekt nicht eintritt. Die
physiologischen Reaktionen in einem Rückatmungsexperiment aus der
Flugmedizin mit zunehmendem Sauerstoffmangel änderten sich auch bei
maximaler Tiefe nicht, und die Kohlendioxidanreicherung bei Arbeitsbelastung
zeigte die der reinen Gasdichte entsprechenden Ergebnisse wie im Druckluftbereich.
Das Diagramm fasst noch einmal alle für die Tiefenentwicklung
beim Tauchen wesentlichen Gesichtspunkte zusammen; noch nicht erwähnt
wurden die sog. Kompressionsathralgien, Gelenkschmerzen, die ab 150 m Tiefe
noch während der Kompression oder bald nach Ankunft in der Tiefe auftreten
können. Die Taucher klagen dann über Schmerzen und Knacken vor
allem in Schulter- und Kniegelenken und haben das Gefühl, «keine
Gelenkschmiere mehr zu haben». Die Beschwerden halten für wenige
Tage an und bilden sich dann von selbst zurück; bei Kurzzeittauchgängen
stellen sie ein diagnostisches Problem für die Dekompression dar,
da sie bis in die Dekompressionsphase hinein andauern können. Eine
überzeugende Erklärung für dieses Phänomen ist bisher
nicht gefunden worden; anscheinend ergeben sich aber keine weiteren Konsequenzen
für das Wohlergehen der Taucher.